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Geschichte der ESTRILDA

Die ESTRILDA ist am 27. Mai 1967 gegründet worden. Für das Verständnis dieses Ereignisses muss man also zunächst die Situation der Vogelzüchter in den1960er-Jahren beschreiben.

Situation in den 1960er-Jahren und Gründung der ESTRILDA

Eine Reihe von Vogelliebhabern kritisierte schon vor 60 Jahren, dass die Vogelzucht von vielen in erster Linie als Sport angesehen und häufig auch entsprechend ausgeübt wurde. Sie bemängelten, dass scheinbar alles erlaubt war, zumindest aber geduldet und letztlich konsequent praktiziert wurde, was zu einem Erfolg in Form von Medaillen, Urkunden, Titeln, besonderen Ehrungen und dergleichen führte: Ammenaufzucht, gezielte Hybrid-Zuchten, Herauszüchten möglichst vieler Mutationen, Ausstellungswesen mit Prämierungen waren gängige Praxis in allen Sparten der Vogelzucht. Es hatte manchmal den Anschein, dass vor allem das Geschäft wichtig war und nicht, wie es eigentlich sein sollte, die Vögel.

Eine Reihe von Prachtfinkenzüchtern in der AZ wollte bereits damals andere Wege in der Vogelhaltung beschreiten. Um den damaligen Prachtfinkenobmann der AZ, Herrn Walter Kujawa, Osnabrück, sammelte sich ein "Grüppchen" Mitglieder, die auf der AZ-Jahreshauptversammlung 1966 eine Satzungsänderung beantragten. Deren  Ziel war die Abschaffung von  Ausstellungsbewertungen und Standards für Wildvögel sowie ein Verbot der Ammenaufzucht. Es kam aufgrund dieser radikalen Forderungen  zu kontroversen Diskussionen innerhalb der AZ. Für die meisten Mitglieder war natürlich gerade die Bewertung der Vögel im Rahmen von Ausstellungen eine ganz zentrale und selbstverständliche Aktivität dieser Vereinigung. Somit war es nicht überraschend, dass der Antrag am Ende abgelehnt wurde.

Dieses Ereignis nahmen die Antragssteller schließlich zum Anlass, aus der AZ auszutreten. In der Folge hielt diese Gruppe untereinander Kontakt. An mehr als an lose Kontakte war anfänglich nicht gedacht. Da aber schon sehr bald weitere Vogelhalter zu dieser Gruppe stoßen wollten, entstand der Gedanke, eine neue Interessengemeinschaft zu gründen, die die Gleichgesinnten sammelte.

Und so folgten sieben Prachtfinkenzüchter, die in Kassel aus der AZ ausgetreten waren, der Einladung von Kirchenrat Schinke nach Hordorf bei Braunschweig und gründeten dort am 27.05.1967 die Interessengemeinschaft ESTRILDA. Die Gründer war Frau Dr. Brigitte Richter (Göttingen), sowie die Herren Walter Kujawa (Osnabrück), Wilhelm Schinke (Hordorf), Dr. Rudolf Pensold (Gelsenkirchen), Gert Ziegler (Minden), Dr. Klaus Immelmann (Braunschweig) und Heinz A. Pajain (Hilden).

 

Die Grundsätze der ESTRILDA bei der Gründung

Sogleich wurden auch die Grundsätze diskutiert, nach denen sich die Gemeinschaft ausrichten wollte. Vor allem sollte ein alternativer Weg in der Vogelhaltung und -zucht beschritten werden. Die ESTRILDA strebte eine möglichst naturnahe Haltung und Vermehrung der Vögel an. Ein wichtiges Ziel sollte dabei ein besseres Verständnis der Biologie der gehaltenen Arten sein, insbesondere ein besseres Verständnis des natürlichen Verhaltens, der Ernährung und Fortpflanzung. Hierbei war es auch ein erklärtes Ziel, mit der Wissenschaft zusammenzuarbeiten.
Eine Vogelhaltung und -zucht mit dem vorrangigen Zweck, damit Preise zu gewinnen oder Geld zu verdienen, lehnte man ab. Auch sprach man sich ganz explizit gegen eine Ammenaufzucht mit Japanischen Mövchen aus, da es zu diesem Zeitpunkt bereits umfangreiche wissenschaftliche Daten gab, dass von Mövchen aufgezogene Prachtfinken in vielen Fällen fehlgeprägt und für eine weitere Naturbrut nur noch bedingt tauglich waren. Ausstellungsbewertung und Standardisierung von Wildvögeln wurden ebenfalls abgelehnt. Und schließlich konnte keiner Mitglied in der ESTRILDA werden, der gleichzeitig einer der großen Vereinigungen angehörte. Den Mitgliedern sollten Gewissenskonflikte erspart bleiben, denn unsere strengen Auflagen ließen sich nicht mit den Gepflogenheiten bei diesen Vereinen  - insbesondere das Ausstellungsbewertungs- und Standardisierungswesen - vereinbaren.

Ein ganz besonderer Wunsch Kujawas war es, dass die ESTRILDA nur so viele Mitglieder haben sollte, wie in einen Bus hineingingen. Zur Förderung von Erfahrungsaustausch und Festigung von Kontakten untereinander sollte man sich zweimal jährlich an jeweils verschiedenen Orten treffen. Eine übertriebene „Vereinsmeierei“ sollte unterbleiben und Regularien auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Alle vorgenannten Vorgaben fanden schließlich ihren Niederschlag in einer Satzung, die bereits in Hordorf entworfen wurde. Später überarbeitete sie Herr Kurt Kraus so, dass auch das Vereinsregister sie akzeptieren könnte. 

 

Weiterentwicklung

Damit „stand“ die ESTRILDA. Und sie entwickelte sich in den folgenden Jahren stetig weiter, ganz im Sinne ihrer Gründer. Im Jahr nach der Gründung hatte sie bereits 17 Mitglieder und einige weitere Bewerber, die damals noch besondere Bedingungen erfüllen mussten (z.B. Bürgen benennen). Wie bereits erwähnt, lassen sich die weiteren Entwicklungen in den Veröffentlichungen der Gemeinschaft nachlesen, so dass ich darauf nicht näher eingehen muss. Doch einige Maßnahmen besonderer Art sollen kurz erwähnt werden.

Auf dem Herbsttreffen 1976 wurde auf Vorschlag von Herr Prof. Dr. Nikolai die Aufstellung einer „Artenschutzliste“ beschlossen (Bielefelder Beschluss). Danach verpflichteten sich die Mitglieder, auf Erwerb und Haltung von einigen Arten Papageiamadinen sowie auf Nigrita-, Nesocharis- und Parmoptila-Arten zu verzichten. Damit sollte erreicht werden, dass Vögel, die nach damaligem Kenntnisstand nicht in Menschenobhut zu halten waren, nicht importiert werden sollten, da sie als sichere Todeskandidaten galten. Die meisten der vorgenannten Gattungen/Arten wurden auch, bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Karmesinastrilde) nicht oder nur ganz vereinzelt eingeführt.

Auch damals überlegte man bereits, zu einem Verzicht auf Massenimporte aufzurufen. In den Jahren 1975/76 gab es auch Überlegungen, die ESTRILDA zu einer Vereinigung mit rein wissenschaftlicher Ausrichtung zu machen. Dies wurde letztlich aber aus verschiedenen Gründen abgelehnt, möglicherweise aus der Sorge heraus, Wissenschaft und Hobbyvogelhaltung ließen sich nicht gut miteinander vereinbaren.

Im Jahre 1982 änderte die ESTRILDA ihre Satzung und passte sie der Entwicklung in der Tierhaltung an. Ein Ziel der Änderung war, die Abschirmung gegen andere Vereinigungen zu beseitigen und gleichzeitig die Aufnahmebedingungen zu lockern. Unsere Grundsätze hatten sich gefestigt und wurden auch von vielen Außenstehenden anerkannt. U.a. hatten wir nun die Möglichkeit, über Vereinsgrenzen hinweg Züchtergemeinschaften zu bilden, die der Erhaltungszucht dienten.

 

Entwicklung in den 1980er-Jahren

Traten durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen, europäische Richtlinien und deutsche Gesetze und Verordnungen Erschwernisse in der Haltung von Wildtieren auf, so bildeten sich bereits in den 1980er- Jahren starke Gruppierungen, die ein generelles Verbot jedweder Wildtierhaltung forderten. Aus dieser Situation heraus wurde auf Initiative der AZ im Jahre 1985 der Bundesverband für fachgerechten Natur- und Artenschutz (BNA) gegründet. Er sollte die Dachorganisation für alle Tier- und Pflanzenzüchtervereinigungen in Deutschland sein und deren Interessen gegenüber der Politik vertreten. Auch heute noch ist der BNA die einzige Organisation, die sich europaweit und mit Erfolg für unsere Belange einsetzt. Zu den Gründern des BNA gehörte auch die ESTRILDA und ist ihm seither angeschlossen.

Besondere Meilensteine unserer Gemeinschaft waren und sind auch heute noch unsere Treffen. Der Gründungsvorgabe entsprechend fanden sie zweimal in jedem Jahr statt. Zwar wurde auch schon mal der Vorschlag diskutiert, jährlich nur noch ein Treffen durchzuführen. Doch auch hier setzte sich die Meinung durch, nicht auf die Herbsttreffen zu verzichten. Immer wieder zeigte es sich, dass alle Treffen, die jeweils an verschiedenen Orten in Deutschland und dem benachbarten Ausland stattfanden, gut besucht waren. Programmgestaltung und Darbietungen fanden bei den Teilnehmern an den Treffen stets großen Anklang.

In der Rückschau auf die Entwicklung der Vogelhaltung in den hinter uns liegenden 35 Jahren lässt sich feststellen, dass sich das Bild der Vogelliebhaberei in dieser Zeit nachhaltig gewandelt hat.

 

Rückschau 1967 bis heute

Auch die ESTRILDA hat an diesen positiven Veränderungen in der Vogelhaltung ihren Beitrag geleistet hat. So ist der Blick auf die Ammenaufzucht mittlerweile differenzierter, die Probleme sind breiter bekannt und Ammenaufzucht wird eingeschränkter betrieben. Auch das Ausstellungswesen hat sich dahingehend gewandelt, dass viele Vogelschauen ihren Zweck heute vor allem darin sehen, der Öffentlichkeit einen kleinen Einblick in das vielfältige Vogelleben zu bieten. Die Bewertung nicht-domestizierter Arten stellt nur noch einen sehr kleinen Teil von Ausstellungen dar, die sich vornehmlich auf die domestizierten Arten fokussieren.

Auch bedingt durch inzwischen eingetretene Import- und Transportschwierigkeiten wird viel bewusster gezüchtet. Dank neuer Erkenntnisse gelingt es sogar, seltene Vogelarten zu züchten, die bislang nicht in Menschenobhut gehalten werden konnten. Inzwischen gehört es für viele Vogelliebhaber zu den Selbstverständlichkeiten, seinen Vögeln optimale (naturnahe?) Lebensbedingungen zu ermöglichen.

Es gibt in unserem Lande viele Kräfte, deren Ziel es ist, die Haltung von Wildvögeln ganz zu verbieten. Um deren Argumente zu entkräften, müssen wir Vogelhalter und -züchter unsere Ziele und Leistungen mehr denn je ins rechte Licht rücken. In ganz besonderem Maße gilt es, Arten einer breiten Öffentlichkeit darzustellen und auf ihre Notwendigkeit hinzuweisen.

Jeder Vogelzüchter ist aufgerufen, diesen Beitrag zum Erhalt und zur Weiterentwicklung unserer Vogelliebhaberei zu leisten.

 

Verfasst von Heinz A. Pajain (1922–2017) zum 35jährigen Bestehen der ESTRILDA im Jahr 2002.
Redigiert durch Sven Cichon im Jahr 2024.

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